Mallorca-312-Marathon – kann man mal machen!

Angeregt durch einen gut geschriebenen Artikel in einem Radsportmagazin hatte ich schon länger die Idee im Hinterkopf, einmal den Mallorca-Radmarathon zu bestreiten, der für seine unkonventionelle Aufmachung und die besondere Stimmung rund um das Event gerühmt wird. In diesem Jahr lag das Datum gut, es gab nach dem Wochenende des Wettbewerbs noch einen Brückentag und den Maifeiertag, so dass man einen mehrtägigen Aufenthalt auf der Deutschen liebster Insel ins Auge fassen konnte. Der Winter war lang und trüb, die 8000 Startplätze nahmen nach der Freischaltung rapide ab, die Partnerin sagte ihre Begleitung ohne langes Überlegen zu („Mallorca geht immer“) – also machte ich einen Schnellschuss und beantragte eine Startnummer. Dass bis Ende April nur knapp über 1000 Trainingskilometer auf meinem Tacho stehen sollten, konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht ahnen, ebensowenig, dass die beiden einzigen Dienstagsausfahrten mit den Jungs so zäh für mich sein würden.
Die Feinplanung danach erwies sich als unerwartet mühsam. Zuerst stellte sich heraus, dass die Flugzeiten vom Baden Airpark nicht kompatibel zu unseren Freitags-Arbeitszeiten lagen, so dass wir Flüge von Hahn im Hunsrück buchen mussten. Dies bedeutete eine so späte Ankunft am Freitag Abend, dass das Abholen der Startunterlagen nicht mehr möglich war. Auch die zahlreichen Radverleiher, die ich kontaktierte, waren von meinem Anliegen, so kurzfristig ein passendes Rad für einen oder zwei Tage herauszugeben, durchweg nicht angetan und verwiesen auf die enorme Anfrage rund um den Marathon.
Letzten Endes erhielt ich vom Veranstalter die Zusage, dass ich am Morgen des Wettbewerbs noch meine Startunterlagen bekommen könne, auch ein Radverleiher stellte mir die Herausgabe eines passenden Rades am Abend vorher in Aussicht.
Bei der Ankunft am BMC-Radsalon an der Playa de Muro gegen 22:30 Uhr konnte ich zwar im Laden ein bereitgestelltes Rad in meiner Größe entdecken, aber es war niemand da und der Laden zu. Nach mehrmaligen Anrufen auf der mir bekannten Mobilnummer ging der Chef dran, seine Laune war durch den Hörer greifbar. Eine halbe Stunde später konnte ich dann ganz zügig ohne Kaution, Ausweisdaten, Bezahlung oder anderen Formalitäten das Rad an mich nehmen. Ein böser Mensch hätte nun zusätzlich eine BMC Roadmachine mit 105er-Ausstattung in seinem Fahrradkeller 😉
Nun ging es ins Hotel, einchecken, Rad richten (Sattelhöhe einstellen, Pedale und Tacho montieren, Bremsklötze und Steuersatz justieren) und einen spanischen Roten zur Entspannung verkosten. Das Ganze war doch etwas stressig bis hierher.
Nach 4 1/2 Stunden Schlaf ging der Wecker. Eine böse Überraschung sollte die Müdigkeit gleich vertreiben: Die in großer Zahl im Hotel befindlichen Engländer, die ebenfalls zum Marathon gemeldet waren, hatten das Frühstücksbuffet komplett geräubert. Es gab absolut nichts mehr zu essen (um 5:30 Uhr!), nur noch einen Kaffee aus dem Automaten. Also blieb mir nichts anderes übrig, als den ersten Energieriegel des Tages zu mir zu nehmen. Wenigstens das Abholen der Startnummer und des Transponders klappte zügig und ohne Schwierigkeiten.
Während der Startaufstellung gab es das Granfondo-typische Gedrängel (was sich bei 8000 Leuten nicht vermeiden lässt) und Beschallungsprogramm, aber alles entspannter und eine Nummer kleiner als z.B. beim Ötztaler oder Dolomiti. Die von mir bereits mehrfach beobachtete Unsitte, dass Fahrer sich mit alten Wollpullovern warmhalten, die dann nach dem Start einfach auf die Straße und den Nachfolgenden in den Weg geschleudert werden, gab es auch hier. Bereits zwischen Playa de Muro und Alcudia ereigneten sich die ersten Unfälle.
Das Tramuntana-Gebirge in der Morgensonne ist ein Traum! Es ging hoch zum Kloster Lluc und nach Soller, wo die erste Verpflegungsstelle ausgeschrieben war, auf die ich mich mangels Frühstück seit dem Start gefreut hatte. Akribischere Naturen als ich hätten vermutlich vorher registriert, dass es sich nur um eine Getränkeausgabe handelte – wieder gab es also nur einen der ungeliebten Riegel aus der Trikottasche.
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Inzwischen hatte ich jede Menge Zeit, das Fahrerfeld zu inspizieren. Die Mehrzahl der Teilnehmer waren Engländer, noch vor den Spaniern. Deutsche machten etwa 10 % aus, die anderen typischen Granfondo-Teilnehmer wie die Italiener und Holländer waren kaum vertreten. Es gab viele Unfälle, das Martinshorn war oft zu hören und an manchen Kreuzungen lagen notdürftig zusammengekehrte Carbonsplitter. Zwei noch behelmte Gesichter, die am Straßenrand unter Rettungsdecken hervorlugten, ließen mich für eine Weile am Sinn einer solchen Veranstaltung zweifeln.
Nachdem wir Andratx passiert hatten und es endlich eine kurze Pause im andauernden Auf- und Ab des Tramuntana-Gebirges gab (inzwischen konnte ich an einer Verpflegungsstelle auch „vernünftige“ Nahrung ergattern – eine Banane, ein paar Schinkenbrote und einen Kuchen – leider gab es an allen Stationen genau dasselbe Essen), machte sich eine ausgeprägte Müdigkeit bemerkbar und ich war kurz davor ein kleines Nickerchen unter einem Mandelbaum abzuhalten. Immerhin hatten wir inzwischen 3000 Höhenmeter bewältigt. Ab hier war mir klar, dass nur die mittlere Runde mit 225 km vernünftig sein konnte, zumal mein Hintern einen Streit mit dem Sattel des Leihrades anfing. Ich malte mir aus, dass der Abzweig zur langen Runde vermutlich schon geschlossen sein müsste und kündigte meiner Partnerin per SMS meine baldige Ankunft an. In einer flotten Gruppe ging es dann zügig in Richtung Inca und weiter nach Muro, immer schön hinten drin und immer nur kurz in der Führung. Die zahlreichen Wellen ließen sich so ganz gut bewältigen, das Höhenmeterkonto füllte sich zusehends gegen 4000. Nirgendwo war der Abzweig zur langen Runde zu sehen. Vermutlich doch bereits abgebaut.
Dann, bei Muro, 10 km vor dem Ziel der 225er-Runde: DER ABZWEIG! Kurzer Stopp. Blick aufs Handy. „So früh hab´ich nicht mit dir gerechnet. Das schaffe ich nicht rechtzeitig. Bin noch im Museum.“ Die Gruppe: Bereits außer Sichtweite auf der 312er-Runde. Starker Gegenwind aus Richtung Osten. Alleine machte ich mich auf nach Arta, über für den Straßenverkehr gesperrte Wirtschaftswege, in der Hoffnung, dass es nur noch 95 km wären und in der Gegend nie weitere 1000 hm lauern könnten. Recht bald ist wieder eine Gruppe beisammen, wir stemmen uns gegen den Wind und sammeln Kilometer um Kilometer, Höhenmeter um Höhenmeter.
In Colonia de Sant Pere, ca. 20 km vor dem Ziel der langen Runde, gab es einen Fahrerstau. Die Kellner der Dorfkneipe servierten den Fahrern Freibier auf ihren Tabletts. Sehr sympathisch! Wer mich kennt, weiß, dass ich natürlich keinen Gedanken daran verschwendet habe, den Zielschluss wegen eines Bieres nicht zu erreichen 😉 Es war sowieso schon sehr knapp. Ich bin mir sicher, dass es von den Feiernden kaum einer vor 21 Uhr ins Ziel geschafft hat.
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Ich konnte dann um 20:50 Uhr, nach einer Fahrtzeit von 13,5 Stunden, einer Strecke von 318 km (laut Tacho) und 5050 Höhenmetern (laut GPS-Daten des Veranstalters) die Zieleinfahrt genießen – Konfettiregen, Feuerwerk, Böller und Folkloregruppen inklusive. Das Bier gab´s dann auch sofort.
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Nie kam mir die Insel schöner vor als in den zwei darauffolgenden Tagen, in denen wir ganz relaxed ein paar Erkundungstouren im Mietwagen und zu Fuß unternahmen!
Fazit: Der Mallorca-312-Marathon ist ein tolles Erlebnis und eine Herausforderung. Man sollte allerdings nicht erst am Abend zuvor ankommen.